Sonntag, 6. Dezember 2015

Thoughts about prejucide and personal freedom



„Sei bloß vor Anbruch der Dämmerung zuhause!“ „Trag keine Wertgegenstände mit dir herum! Die Afrikaner, die sind nämlich kriminell!“ oder auch: „Nimm dich vor den Löwen in Acht!“
Die Liste der wohlgemeinten Ratschläge, die ich vor meinem Abflug nach Südafrika bekam, ist lang.
Ich bekomme jetzt auch noch Fragen wie „Wie leben denn die Menschen da? Habt ihr Strom? Wasser?“
Also habe ich beschlossen, mal ein wenig über Lebensstandards hier zu schreiben.
Zum Ersten: Nein, wir leben nicht im Busch. Nein, wirklich nicht.
Wir haben auch Strom. Und fließend Wasser. Nein, die Löwen sind nicht gefährlich. Ja, ich bin mir sicher!
Okay, Spaß beiseite, aber über einige Anmerkungen musste ich echt schon schmunzeln. Leute, Südafrika ist nicht das Ende der Welt! Südafrika ist dazu noch ziemlich westlich.
Natürlich hängt der Lebensstandard der Menschen auch vom Geld ab. Aber das ist doch überall so, auch in Deutschland! Wer Hartz IV bezieht, kann sich nun mal keine Villa mit Pool leisten.
Natürlich ist die Spanne zwischen Arm und Reich hier groß und auch sichtbar. Wer es sich leisten kann, lebt in der Stadt, hat ein Haus oder eine Wohnung, womöglich mit Pool. Alles hier ist sicherheitsüberwacht, an jedem Haus prangt ein Schild mit dem Namen des dafür zuständigen Securitydienstes. Fast jeder hier ist mit dem Auto unterwegs, selten bekommt man Radfahrer zu Gesicht. Außer in der Innenstadt gibt es auch kaum Bürgersteige, es ist halt alles aufs Auto fahren ausgelegt.
Wer sich kein Leben innerhalb der Stadt leisten kann, das ist zum allergrößten Teil die schwarze Bevölkerung, wohnt  ein wenig außerhalb in Rural Areas/Townships. Das beinhaltet meist einen langen Fußweg zur Arbeit, Securityüberwachung des Hauses ist dann natürlich auch nicht gewährleistet.
Im Zentrum der Stadt befindet sich ein großes Shoppingcenter, auf den Bürgersteigen sitzen Frauen und präsentieren ihre Waren, Mangos, Bananen und Süßkartoffeln liegen auf kleinen Tischen zum Verkauf bereit. Der Verkehr ist dicht, Menschen tummeln sich auf den Straßen, sodass wir dann doch lieber unser Auto von innen abschließen, denn einmal wurde mitten auf der Straße unser Kofferraum geöffnet. Um sich nochmal auf die oben genannten Vorurteile zu beziehen:
Tatsächlich ist Kriminalität ein Problem hier. Nie im Leben würde ich hier alleine im Dunkeln durch die Gegend laufen. Erst vor zwei Wochen  wurde in einem zentralen Supermarkt ein Polizist erschossen.
Auch Zeichen von der glücklicherweise offiziell abgeschafften Apartheid sind leider manchmal noch zu erkennen.  Als ich mit Nonto, der Social Workerin bei IKhaya ins Krankenhaus fahre, um Medikamente für die Kids abzuholen, müssen wir uns nicht zum Warten nach hinten setzen. Die Medikamente sind schon bezahlt und so können wir uns direkt vorne hinstellen, müssen nicht länger als eine halbe Stunde warten. Hinter mir schnappe ich Satzfetzen auf. „Was denkt sich die weiße Lady, sich nur wegen ihrer Hautfarbe vorzudrängeln?“ „Die hält sich wohl für besser, nur weil sie weiß ist.“ Nonto übersetzt mir noch weitere ähnliche Kommentare, die ich wegen meiner noch ausbaufähigen Zulukenntnisse selbst nicht verstehen kann. Ich bin geschockt und gleichzeitig schäme ich mich für meine Hautfarbe, für die ich eigentlich nichts kann.
Als wir mit Freunden Abends eine Bar besuchen, in der wir die einzigen Weißen sind, lernen wir eine andere Seite der Differenzierung zwischen Schwarz und Weiß kennen.
„Hey Sweetie, you are so beautiful!“ „Hello beautiful lady, are you married?“ Außerdem bekommen wir Liebesgeständnisse und Heiratsanträge en masse, und werden eifersüchtig von den schwarzen Frauen beobachtet, die ihrer knappen Kleidung nach zu urteilen hier sind, um die Aufmerksamkeit von Männern zu erregen.  Wir tragen beide Schlabberpullover und dicke Schals, sind ungeschminkt und die Müdigkeit ist uns ins Gesicht geschrieben, ziehen aber die Aufmerksamkeit der Männer auf uns, jemand kommt sogar von hinten und riecht an meinen Haaren. Schon wieder bin ich beschämt, fühle mich unglaublich unwohl und bin froh, als wir irgendwann nach Hause fahren. Dabei wollten wir uns nur einen netten Abend machen. Ich fühle mich nicht anders als Menschen mit anderer Hautfarbe, und ich möchte auch nicht anders sein!

Ich möchte euch aber auch noch von der unglaublichen Gastfreundschaft erzählen, die ich hier erfahren darf. Von Anfang an wurden wir wie selbstverständlich in der Church aufgenommen, rumgefahren und zum Essen eingeladen. Man kennt die Leute noch nicht? Gar kein Problem, dann lernt man sich halt beim Essen kennen.
Isst man außerhalb, geht ins Kino oder unternimmt sonst irgendwas, bezahlt man selbstverständlich füreinander, besonders als Frau wird man eigentlich fast immer eingeladen. Von allen Seiten hören wir „Welcome to South Africa!“, werden herzlich begrüßt und die Menschen stellen interessierte Fragen über uns und über unsere Kultur.
Wenn ich dann von der Hetzerei gegen Flüchtlinge in Deutschland oder Pegida höre, bin ich einfach nur traurig und enttäuscht. Hier bin ich die Fremde, die Ausländerin. Diejenige, die sich nicht auskennt und teilweise nicht weiß, wie sie sich verhalten soll. Diejenige, die anders spricht und vielleicht auch teilweise anders denkt. Und ich bin hier, weil ich mir das ausgesucht habe. Weil ich gerne nach Südafrika wollte. Ich habe mein Heimatland freiwillig verlassen. Ich muss mich hier anpassen, versuche so viel wie möglich aufzuschnappen und zu lernen. Viele der Menschen fragen mich interessiert über Deutschland aus, wollen gerne deutsche Wörter lernen und bringen mir im Gegenzug geduldig Zulu/Afrikaans bei.
Deutschland ist überlaufen von Flüchtlingen, Menschen, die ihr Zuhause verlassen MUSSTEN.
Menschen, die wegen des Krieges von Zuhause vertrieben wurden, suchen nun Zuflucht. MÜSSEN lernen. MÜSSEN sich anpassen. Und werden abgewiesen. Weggeschickt. Gehasst.
Ich will mir nicht vorstellen, wie es wäre, wenn hier Hassparolen geschrien würden. Wenn die Menschen hier demonstrieren würden, AUSLÄNDER RAUS. Ich würde mich nicht  vor die Tür trauen, würde hilflos im Haus bleiben und nicht wissen, was ich machen soll.
Zum Glück ist das nicht so! Zum Glück wurde ich hier liebevoll und herzlich aufgenommen und darf diesen wunderschönen Ort nun mein Zuhause nennen. Ich habe Zeit, die Sprache zu lernen. Ich habe Freunde, die mit mir teilen und mir alles zeigen.
Bitte, nehmt Menschen an die Hand. Heißt sie willkommen und teilt mit ihnen. Mir ist jetzt noch einmal so richtig bewusst geworden, wie wichtig das eigentlich ist!